Aus dem Handelsblatt-Archiv: 400 Milliarden Euro werden in Deutschland pro Jahr vererbt. Was ist mit jenen, die leer ausgehen? Ein Soziologe erklärt, was Nicht-Erben fühlen.

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  • Novocirab@feddit.org
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    2 months ago

    Das ist haargenau die Thematik, die Thomas Piketty im “Das Kapital des 21. Jahrhunderts” analysiert hat. Seine zentrale Schlussfolgerung ist, dass eine progressive Vermögenssteuer eingeführt werden muss.

    • copacetic@discuss.tchncs.de
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      2 months ago

      Gegenargument von Ökonomen scheint mir vor allem zu sein, dass “Vermögen” komplex ist. Es wäre sehr viel einfacher die Erbschaftssteuer zu erhöhen/verändern und es hätte einen ähnlichen Effekt. Geht Piketty darauf ein?

      • Novocirab@feddit.org
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        2 months ago

        Auch bei der Erbschaftssteuer müssen ja große Vermögen bestimmt und besteuert werden, wenn auch nur einmal pro Erbanfall. Wenn die Erbschaftssteuer ähnlich viel abwerfen soll wie eine Vermögenssteuer, müssen die Einmalzahlungen sehr hoch sein, was eigene Probleme mit sich bringt.

        Dass für eine Vermögenssteuer ein System zur fortlaufenden Erfassung relevanter Vermögenswerte einzuführen ist, ist nach Piketty sogar ein Feature. Wenn die Behörden hier keine aussagekräftigen Daten haben, können der Öffentlichkeit nur sehr unzureichende Statistiken für politische Debatten zur Verfügung gestellt werden. Das führt grundsätzlich zu schlechteren Entscheidungen, nützt aber am ehesten denen, die ein Interesse daran haben, dass über die Reichtumsverteilung Unklarheit herrscht. Und im Krisenfall, etwa bei einer Bankenkrise, können Regierungen und Zentralbanken kaum gezielte, sondern nur sehr grobschlächtige und entsprechend unsoziale Gegenmaßnahmen ergreifen (so etwa in der zypriotischen Bankenkrise).

        (Am einfachsten ist die Vermögensbestimmung natürlich für diejenigen Arten, die, wie etwa Aktien, einen bekannten Marktwert haben. Unternehmen, die nicht an der Börse gehandelt werden, müssen etwa anhand ihrer Bilanzen und durch Vergleich mit ähnlichen Unternehmen geschätzt werden. Für Immobilien gibt es, v.a. in USA und UK, längst Systeme, um alljährlich den zu besteuernden Wert neu zu bestimmen.)

  • Obelix@feddit.org
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    2 months ago

    Ich glaube, dass in dieser Debatte zu viel vermischt wird und dass daher fleißig aneinander vorbeigeredet wird: Es gibt einen Unterschied zwischen den Millionenerben, die dann Firmen, Luxusvillen und was nicht alles erben und dabei mit allen Tricks die Erbschaftssteuer umgehen und dem Otto-Normalerben, bei dem es dann eher um ein paar zehntausend Euro geht. Das ist dann vielleicht eine nette Finanzspritze und wenn das Verhältnis gut ist, helfen die Mittelklasse-Eltern vllt. auch vorher in den finanziell kritischen Phasen im Leben aus, aber es ist jetzt nicht diese völlig leistungslose Hängematte, in der man als Erbe gemütlich nichts tut. Diese erbliche Finanzspritze kommt dann aber bei der aktuellen Lebenserwartung auch recht spät im Leben - eher in den 50ern, wenn die Eltern alt werden sogar in den 60ern oder gar 70ern des Lebens.

    Und am Ende steckt auch hier wieder der Endgegner aller deutschen Debatten hinter: Die gewaltige Krise auf dem Immobilienmarkt. Woran liegt es, dass die Erben so groß sind? Weil das runtergerockte Häuschen von Oma in den Boomtowns immer noch hundertausende Euro wert ist, in anderen ostdeutschen und ländlichen Regionen aber unverkäuflich. Weil die Mieten so hoch sind, dass alle, die halbwegs mietfrei im Familienheim wohnen können, einfach mehr sparen können, weil nicht alles an Vonovia geht. Weil man im Zweifelsfall das Haus übernehmen kann und nicht 600.000€ für ein eigenes zahlen muss. Und diese Krise steckt wirklich hinter allen Debatten, die wir drumrum führen: Die Kosten für das Bürgergeld oder diverse Sozialleistungen wären nicht so hoch, wenn die Mieten niedriger wären. Mit niedrigeren Mieten und Kaufpreisen hätten alle mehr in der Tasche, außer Vermieter und die Konjunkturlage sähe besser aus, dieser Squeeze in den Gehältern wäre nicht da. Die Leute könnten besser wohnen, eher aus schwierigen Wohnlagen flüchten und sind nicht in Altverträgen gefangen. Hätten wir mehr Wohnraum, könnten wir Flüchtlinge besser integrieren und es gäbe diesen elende Wohnraumkonkurrenzneid nicht. Die Erbfrage wäre weniger brisant.

    • copacetic@discuss.tchncs.de
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      2 months ago

      Ich denke das komplizierte bei Erbschaften sind die kleinen Familienunternehmen. Sagen wir mal 50 Angestellte und 50 Millionen wert. Der Eigentümer ist also mehrfacher Millionär vor allem wegen dem Unternehmen, stirbt dann, und hinterlässt nun eine Ehefrau und zwei Kinder.

      Standardmäßig würde das Unternehmen jetzt glaube ich zu 50% and die Witwe und jeweils 25% an jedes Kind gehen? Das Aufspalten würde für Chaos bei der Unternehmenleitung führen. Also lieber ein Testament, dass Kind 1 die Firma bekommt. Soweit ich weiß ist das heutzutage befreit von der Erbschaftssteuer. Würde man jetzt eine deftige Erbschaftssteuer drauf setzen muss Kind 1 plötzlich nicht nur die Firma übernehmen, sondern auch (sagen wir mal) 30 Millionen an Steuern zahlen. Bei einem großen Aktienunternehmen (Porsche, BMW, etc) wäre das vielleicht sogar möglich, aber das Unternehmen ist zu klein um an die Börse zu gehen.

      Da gibt es natürlich viele Möglichkeiten, wie man das praktisch ermöglicht, ohne dass Kind 1 gezwungen ist die Firma zu verkaufen. Man könnte erlauben die Steuern abzustottern großzügig über viele Jahre verteilt. Der Staat könnte stiller Teilhaber der Firma werden. Man könnte Freibeträge anbieten, so dass das Unternehmen an die Mitarbeiter verschenkt wird. Das wäre eine spannende Debatte, aber die breite Öffentlichkeit scheint kein Interesse daran zu haben.

      • Obelix@feddit.org
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        2 months ago

        Wenn du Barvermögen ohne weiteres an Kinder vererbst, dann fallen auf 50 Millionen 14 Millionen an Erbschaftssteuer an. Das ist dann der absolute “Worst Case”, es gibt ja in den meisten Fällen noch andere Erbberechtigte, die sich bei solchen Summen auch nicht ausbooten lassen wollen:

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        Aber auch so: Ist eine Menge, aber du landest da bei unter 30% Steuer. Ist blöd, im individuellen Fall sicherlich ärgerlich, aber für eine profitable Firma durchaus zu stemmen, wenn das etwas gestreckt werden kann.

        • kossa@feddit.org
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          2 months ago

          Musst, um bei dem Beispiel zu bleiben, aber 50 Mio. als Betriebvermögen angeben. Das ist begünstigt, und - zack - sinkt die anfallende Steuer schon auf 1,7 Mio.

          Warum sind Betriebsvermögen steuerlich begünstigt? Die Antwort würde die Bevölkerung verunsichern.

      • Melchior@feddit.org
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        2 months ago

        Warum muss die Firma im Familienbesitz bleiben? Es gibt Kredite, damit kann man arbeiten und die andere Alternative ist der Verkauf von Anteilen an zum Beispiel Angestellte oder auch Private Equity.

    • RQG@lemmy.world
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      2 months ago

      Ich bin mir ziemlich sicher dass auch der Unterschied zwischen Mittelstand und aufstocker Eltern groß sein wird z.B.

      Aber wenn ich in meinem sozialen Umfeld die paar Leute sehe, die alle 10 Jahre ihre 400k Schenkung bekommen, dann kann da niemand ansatzweise mithalten. Mit Ende 20 mietfrei wohnen und ne eigene Firma leiten und nie etwas zurücklegen müssen.

      Ich hab in der selben Zeit studiert und gar nichts aufgebaut außer nem Abschluss. Und damit bin ich für Arbeiter Eltern über dem Schnitt.

      Die reichen Kinder denken dann auch öfters sie hätten das selbst erarbeitet. Oder sie könnten mir Tipps geben, wie ich das auch schaffe. Joa, elterntausch. Bald auf RTL 2.

          • zaphod@sopuli.xyz
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            2 months ago

            Mag sein, aber in der heutigen Zeit nennt man das trotzdem Mittelschicht, weil der Begriff Mittelstand eine andere Bedeutung angenommen hat.

            • RQG@lemmy.world
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              2 months ago

              Joa stimmt sicherlich. ich bin etwas altmodisch in meiner Sprache manchmal.

  • SapphireSphinx@feddit.orgOP
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    2 months ago

    Das hier empfinde ich als zentral:

    Erbschaften sind der wichtigste Faktor dafür, dass sich die Gesellschaft immer stärker polarisiert und die Mittelschicht schrumpft. Sie untergraben das Prinzip von Leistung und sozialer Gerechtigkeit.

    • lowleekun@ani.social
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      2 months ago

      Wohl eher die Mär von Leistung und sozialer Gerechtigkeit. Das es manche durch Leistung zu einem gerechten Einkommen schaffen heißt nicht das unsere Gesellschaft darauf fußt. So zu tun sorgt aber für Ruhe und das schon lange. Wenn die Reichen nicht so verdammt gierig wären könnte diese Ungerechtigkeit ewig so weiter gehen aber da sie alle den Hals nicht voll kriegen endet es vermutlich irgendwann mit einem Knall. Denke es kann aber noch länger so weiter gehen als man für möglich hält.

  • aaaaaaaaargh@feddit.org
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    2 months ago

    Das betrifft übrigens auch Unternehmungen. Sich selbst ohne Erbschaft und Fremdkapital eine Firma aufbauen, ist mittlerweile in Deutschland fast unmöglich geworden.

    • Obelix@feddit.org
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      2 months ago

      Das war übrigens noch nie wirklich anders. Natürlich brauchst du Kapital für eine Firmengründung und das kam schon immer als Fremdkapital rein.

  • baleanar@discuss.tchncs.de
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    2 months ago

    100% Erbschaftsteuer ohne Ausnahmen. Die Erben an die verteilen die es am nötigsten haben. So! Kreislauf erschaffen und die Sache ist gegessen.

    Wenn es den Ärmsten in unsere Gesellschaft gut geht nenne ich das eine gute Gesellschaft.